Sahaja Yoga - Ansicht zu einer Meditationstechnik (Zurbriggen, 2006)

Interview mit einem Zürcher Mitglied

PDF herunterladen

von : Geführt und protokolliert von Seraphina Zurbriggen und Susanne Schaaf


Einleitung

Das Gespräch wurde mit einem Mitglied (1) von Sahaja Yoga (SY) geführt, um in der Dokumentation auch der Perspektive von Sahaja Yoga Platz einzuräumen und einige spezifische Fragen zu klären. 

 

(1) Name der Fachstelle infoSekta bekannt. 

 

 

Interview

Wie viele Mitglieder hat Sahaja Yoga? Weltweit, europaweit, schweizweit, in Zürich?

Die weltweite Mitgliederzahl von SY ist mir nicht bekannt. In Indien gib es jedoch Millionen Leute, die realisiert (1)  worden sind. Dies geschieht teilweise auch übers Fernsehen. In Amerika gibt es ungefähr 1‘000 Sahaja Yogis. Die Mitgliederzahl in der Schweiz beläuft sich schätzungsweise auf 150 Personen, v.a. in der Romandie gibt es grössere Gruppen. In Zürich sind es etwa sieben Personen. Die Mitgliederzahl von SY hat in den letzten Jahren zugenommen, v.a. in Basel ist SY erfolgreich. Heute gibt es mehr Mitglieder, weil man schneller als früher realisiert werden kann.
Zu SY muss man sagen, dass es keine Gruppe ist, sondern eine Meditationstechnik. Deshalb kann man eigentlich auch nicht von „Mitgliedern“ sprechen, sondern eher von „Personen, die regelmässig an der Meditation teilnehmen“. Einige bleiben zwei bis drei Monate, andere wiederum sind schon zehn bis zwanzig Jahre dabei. Bei SY nehmen sehr unterschiedliche Leute teil. Sie stammen aus allen Schichten und haben verschiedene Bildungshintergründe. Es sind auch Personen dabei, die ich unter anderen Umständen nie getroffen hätte. SY legt kein pfannenfertiges Konzept vor, das über die Interessenten gestülpt werden könnte. Jeder muss die Erfahrung der Vibrationen und der kühlen Brise selber machen. Daher betreiben wir keine Mission und keine Manipulation. Würde die Erfahrung durch Druck und Manipulation entstehen, wäre sie nichts wert, da die Selbstverwirklichung nicht funktionieren könnte.

Wie viele Kinder sind in SY-Schulen in Italien und in Indien?

Die Schule in Italien gibt es nicht mehr. Es gibt noch eine Schule in Indien mit ungefähr 100-200 Kindern. Die Kinder sind zwischen 8 Jahren und Maturaalter. Wenige durchlaufen die gesamte Schulzeit in Indien. Die Teilnahme ist freiwillig und nicht alle SY-Eltern schicken ihre Kinder zwangsläufig in eine solche Schule. Es ist zudem wichtig, dass das Kind selber in diese Schule will. Der Grund, warum die Kinder in die Schule nach Indien geschickt werden, ist, dass sie dort die Meditation vertiefen können. Die Meditationen werden von den Kindern selbst geleitet. Die Übungen sind sehr einfach. Die Schule ist eine ganz normale Schule mit einem regulären Lehrplan (mit Mathematik etc.), meditiert wird jeweils morgens. Die Schule wird vom indischen Staat beaufsichtigt, und die Schulzeit wird mit einer Prüfung abgeschlossen. So können die Kinder nachher in staatliche und internationale Weiterbildungsangebote übertreten. Ich finde, dass die Trennung der Kinder von der Kernfamilie an sich nichts Aussergewöhnliches ist. Das gibt es ja auch hier, wenn Eltern ihre Kinder in Internate schicken.

Was ist das Spezielle an der SY-Meditationsform? Wie häufig, wann und wo wird meditiert?

Ich finde, das Überzeugende an SY ist die Grundlage: „You are your own guru, you are your own master.“ Man ist nicht abhängig von einem Meister, sondern kann mit Hilfe einer einfachen Technik schnell und selbständig zuhause meditieren und die Vibrationen spüren. Ich selbst meditiere jeden Morgen 15 Minuten und besuche 1x in der Woche die Meditationsgruppe. In Indien findet 1x jährlich eine SY-Versammlung statt. Dort treffen sich bis zu 10'000 Menschen während einer Woche. Morgens wird jeweils meditiert und abends gibt es Musik. Trotz der vielen verschiedenen Menschen ist es immer sehr harmonisch.

Wie ist SY organisiert? Wie kommen die Leute zu SY und welches sind die Gründe, wieder zu gehen?

Shri Mataji ist die Gründerin und Entdeckerin von SY. Sie kam von Indien und liess sich in London nieder. Von dort aus verbreitete sie ihre Techniken in Europa. Heute gibt es normalerweise pro Land einen Koordinatoren. Er ist verantwortlich für die Organisation der Dinge und schafft Synergien betreffend der SY-Unterlagen. Es gibt keine Koordinatoren, die etwas diktieren, dies wäre inakzeptabel. In der Schweiz gibt es eine Gruppe von Koordinatoren, das heisst eine Person pro Stadt (1 Basel, 1 Genf, 2 Lausanne, niemanden in Zürich da zu klein). Die Koordinatoren sind hauptsächlich Männer, es gibt eine Frau. Wieso das so ist, scheint mir ein Zufall. Denn Shri Mataji setzte sich immer für Frauenförderung ein. Frauen und Männer sind nicht gleich, aber gleichwertig. Ein Paar ist wie ein Wagen mit zwei Rädern. Wenn ein Rad kleiner ist, dreht sich der Wagen im Kreis.
Das Angebot von SY wird nicht gross propagiert. Die Werbung geschieht hauptsächlich von Mund-zu-Mund oder durch Plakate im Tram, Poster oder via Internet. Die Leute bleiben durchschnittlich zwei bis drei Monate. In Zürich hat es aber auch Personen, die schon länger dabei sind. Es gibt ganz unterschiedliche Gründe und Erwartungen, warum die Leute zu SY kommen. Warum die Leute SY wieder verlassen, kann ich nicht beurteilen. Da wir die Namen der Teilnehmer nicht registrieren, hat die Gruppe leider keine Gelegenheit nachzuhaken, warum jemand nicht mehr kommt. Wir erhalten auch selten Rückmeldungen. Es gibt schon auch seltsame Teilnehmer, die nach dem Austritt sehr negativ gegenüber SY eingestellt sind. Diese negativen Personen waren vor allem in den 80er Jahren in der Romandie bei SY dabei. Heute ist das nicht mehr so. Die Leute von damals haben einen Hass auf SY, möchten SY persönlichen Schaden zufügen und den Ruf von Shri Mataji schaden. Anfang der 90er Jahre gab es sogar Fernsehbeiträge gegen SY. Das Fernsehen musste sich aber entschuldigen.

Wie sieht der Kontakt zwischen Shri Mataji und den SY-Teilnehmern aus?

Der Kontakt zu Shri Mataji ist sehr individuell. Shri Mataji ist jetzt über 80 Jahre alt und hat ihren Kontakt zu den Mitgliedern reduziert. Ihr Gesundheitszustand war eine Zeit lang bedenklich, aber jetzt geht es ihr wieder besser. Seit einem Jahr spricht sie nicht mehr oder nur noch im engsten Kreise. Sie hat wohl alles gesagt, was gesagt werden muss. Sie hat in ihrem Leben viel Zeit für SY-Projekte geopfert. Die Zeiten, in denen sie selber Programme gab, sind vorbei.
Mich beeindruckt Shri Mataji durch ihre hervorragenden Qualitäten. Sie ist extrem mütterlich, extrem herzlich, sehr subtil und sehr vornehm, aber nicht arrogant. Ich habe sehr grossen Respekt vor Shri Mataji als Person. Ihr Ziel ist die Verbreitung der Technik, nichts anderes. Geld interessiert sie nicht, ihre Angebote sind gratis. Es gibt auch Personen, die Shri Mataji als Inkarnation von z.B. Shiva oder Sri Ganesha sehen. Aber das ist so zu verstehen, dass jeder Mensch eine göttliche Dimension besitzt und diese durch Shri Mataji erweckt werden kann. Die Aussage, dass Shri Mataji eine göttliche Reinkarnation sei, ist völlig aus dem Kontext gerissen. Wenn Sie mich danach fragen, was nach dem Ableben von Shri Mataji mit SY geschehen wird, dann denke ich, dass sich an SY nichts ändern wird.

Wie wird Machtmissbrauch vermieden?

Interessierte Personen, die an den SY-Programmen teilnehmen, schauen einen vielleicht gerne als Lehrer an. Jedoch habe ich SY nicht selber entdeckt oder entwickelt, sondern gebe es nur weiter und belehre andere nicht. Man muss bescheiden bleiben und sich bewusst zurücknehmen, damit das Ego nicht überhand nimmt. Die Bedingung für Bescheidenheit ist, dass man sein Ego überhaupt sieht. Wer gerne Macht hat, ist an Bescheidenheit nicht interessiert und ist in SY nicht am richtigen Platz. Für mich geht es darum, dass die Leute die Meditation erfahren und dann entscheiden können. Wenn Machtmissbrauch vorkommt, dann hat das nichts mit SY zu tun, sondern mit der Person und ihrem Ego.

Welche Ziele und Visionen verfolgt SY für die Gesellschaft?

Bis jetzt hat die Menschheit den dauerhaften Frieden und ein Minimum an Gerechtigkeit trotz ständigem Bestreben noch nicht verwirklichen können. Durch die Realisation jedoch, werden die Leute ausgeglichener und somit gibt es mehr Frieden, mehr Toleranz, mehr Gerechtigkeit und weniger Gewalt in dieser Gesellschaft. Die Vision von Shri Mataji und Sahaja Yogis ist daher, möglichst viele Menschen zu realisieren. Das ist natürlich ein Ideal, Bescheidenheit ist wichtig.

Welche Haltung bezieht SY gegenüber anderen Religionsgemeinschaften?

Ich habe keine Probleme mit Andersdenkenden in meinem Umfeld. Jedoch habe ich Mühe mit extremen Gruppen, welche die Religion als Rechtfertigung für Gewalttaten missbrauchen. Die Sahaja Yogis sind gegenüber anderen Religionen tolerant, aber gehen selber nicht mehr in die Kirche.

Wie sieht SY Autonomie und Selbstbestimmung?

Autonomie und Selbstbestimmung sind die Voraussetzung, damit SY überhaupt funktioniert. Unter der Bedingung „You are your own guru, you are your own master“ befragt man immer die eigenen Vibrationen. Nach einer gewissen Zeit spürt man, welche Chakras stark und welche schwach sind. Je stärker die Vibration ist, desto mehr erfährt man über die Realität. Ich war zum Beispiel einst in einem Kunstmuseum. Dort spürte ich bei der Betrachtung der griechischen Skulpturen gute Vibrationen. Bei anderen Kunstwerken, die mir ebenfalls gefielen, verspürte ich jedoch schlechte Vibrationen. Das bedeutet, dass mein eigener Körper anhand der Vibrationen mir etwas mitteilt, was ich sonst nicht wahrnehme. Daher ist es wichtig, dass sich mein SY-Wissen auf meine eigenen Erfahrungen stützt.

Wie werden Krankheiten gedeutet? Kann Shri Mataji Krankheiten (auch schwere Krankheiten wie z.B. Krebs oder Aids) heilen?

Eine Krankheit zeigt auf, dass etwas im subtilen System des Betroffenen nicht in Ordnung ist, dass ein Ungleichgewicht besteht. Shri Mataji und Sahaja Yogis können sofort spüren, wo die Blockaden liegen, die das Ungleichgewicht und somit die Krankheit verursachen. Sie können die Blockaden öffnen, indem sie die Kundalini des Betroffenen aktivieren. SY kann z.B. hohen Blutdruck, Diabetes und Depressionen behandeln. Das Heilen steht in SY jedoch nicht im Vordergrund. Die Heilung ist ein Nebenprodukt, weil die Leute sich besser fühlen, indem ihr subtiles System durch SY ins Gleichgewicht gebracht wird. Die Schulmedizin darf jedoch nicht durch SY substituiert werden. SM meint, wenn der Krebs da ist, dann ist es schon zu spät und man müsse zum Arzt gehen. Bei ausgeglichenen Personen entstehen Krankheiten erst gar nicht.

SM soll gesagt haben, dass ein Kind, welches bei einer Mondeklipse geboren wurde, besessen sein soll. Stimmt das?

SY will andere nicht beurteilen. Jemandem zu unterstellen, er sei besessen, ist stigmatisierend und entwürdigend.

 

Autorisiert von Zürcher Mitglied Sahaja Yoga,  7. Jan. 2006

 

(1) Erklärung von SY: Eine realisierte Person hat die Selbstverwirklichung erfahren. SY spricht von Selbstverwirklichung, wenn die Kundalini (die spirituelle Energie, die es angeblich in jeder Person gibt) über dem Kopf spürbar wird, in Form eines kühlen Windzuges.

 

 

.