Die NAK und der Öffnungsprozess (Schimansky, 2008)

Zusammenfassung des Buches „Neuere Entwicklungen in der Neuapostolischen Kirche“ von Katja Ratkow (2004)

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von Jenny Schimansky


Einleitung

In der Neuapostolischen Kirche (NAK) hat seit dem Beginn der 90 er Jahre ein Trend zur Modernisierung eingesetzt, der vor allem mit zwei Auslösern in Verbindung gebracht wird; zum einen hatte es eine Reihe von Ausstiegen aus der Kirche gegeben, und von diesen Mitgliedern waren im Nachhinein schwere Anschuldigungen gegen die NAK erhoben worden, welche das Image der Kirche schwer erschüttert hatten. Zum anderen war die NAK mit der Tatsache einer stetig schwindenden Zahl von Mitgliedern konfrontiert, ein Trend, der auch den christlichen Landeskirchen schwer zu schaffen macht.

Der seither dokumentierte Öffnungsprozess betrifft mehrere Bereiche; die Öffentlichkeitsarbeit der NAK, Veränderungen in der Lehre der Kirche, und die Beziehung der NAK zur Ökumene.

Bereich „Öffentlichkeitsarbeit“

Mit dem Einsetzen des Stammapostels Fehr 1988, der vorher selber in der Werbebranche tätig war, hat eine deutliche Professionalisierung und Modernisierung der Öffentlichkeitsarbeit der NAK stattgefunden. Zunächst wurde die Bildung von Projektgruppen eingeführt. Diese haben einen unterstützenden und beratenden Charakter und werden zu allen Themen gebildet, wo Erneuerungen angestrebt werden. Weiterhin wurde 1996 die Stelle eines Medienreferenten geschaffen, welche als Schnittstelle für die Informationsvermittlung zwischen Kirche und Öffentlichkeit fungiert und die mediale Präsenz der NAK in den Printmedien und im Internet überwacht. Modernisiert wurde auch das Erscheinungsbild der NAK, weltweit wurde ein einheitliches Symbol; das Kreuz und die Sonne, eingeführt. Auch wurden eine Reihe von neu gestalteten Broschüren und Plakaten für die Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt, die so modern gestaltet sind, dass sie auf den ersten Blick gar nicht als NAK Werbung erkennbar sind, sondern alle Gläubigen mit christlichem Hintergrund ansprechen.

Auch innerhalb der NAK fanden Modernisierungen statt, vor allem im Bereich der Kommunikation mit den Mitgliedern. Das wichtigste Publikationsorgan der NAK, die Zeitschrift „Unsere Familie“ erfuhr inhaltliche Neuerungen, wenn auch eher zaghafte. Aber es wurde immerhin die Rezension auch NAK kritischer Bücher erlaubt, sowie der Abdruck von Interviews mit Vertretern anderer Konfessionen (Andreas Fincke, Helmut Obst).

Die Gründung einer Kinderzeitschrift „Wir Kinder“ wurde 1998 initiiert, seit 2000 erscheint sie in mehreren Sprachen. Kritiker haben darauf hingewiesen, dass die Betonung des strengen, strafenden Gottes, welche viele Aussteiger angeprangert hatten, in dieser Zeitschrift nicht zu finden sei.

Um die Lücke zwischen der Erwachsenenzeitung „Unsere Familie“ und der Kinderzeitung „Wir Kinder“ zu schließen, wurde 2002 vom Friedrich Bischoff Verlag die Herausgabe eines Jugendmagazins „Spirit“ ins Leben gerufen, welches auch im Internet vertreten ist. Diese Zeitung beinhaltet zum Beispiel auch ein Diskussionsforum, wo auch der Abdruck von kritischen Beiträgen erlaubt ist. All diese Neuerungen sind kennzeichnend für das Bemühen der NAK, entgegen den Anschuldigungen ehemaliger Mitglieder, als aufgeschlossene und moderne Religionsgemeinschaft zu erscheinen.

Bereich „Veränderungen in der kirchlichen Lehre“

Dieser Bereich betrifft Veränderungen, die sich in den letzten zwanzig Jahren ereignet haben. Sie sind auch als Teil der Bemühungen der NAK zu verstehen, sich der christlichen Ökumene anzunähern, was eine Revision bisher vertretener Glaubenslehren und- Inhalte erfordert. Allerdings weisen Kritiker darauf hin, dass die NAK teilweise sehr widersprüchliche Haltungen vertritt zwischen dem, was nach innen, zur Basis, kommuniziert wird, und was nach außen, was vor allem bei den Gläubigen der NAK zu Unsicherheit geführt hat, und die Kirchenleitung Einbussen an Glaubwürdigkeit gekostet hat.

Welche Änderungen der kirchlichen Lehre sind in den letzten 20 Jahren dokumentiert? Zum einen wurde die wichtigste kirchliche Publikation der NAK, der Katechismus „Fragen und Antworten“ 1992 überarbeitet. Einige Passagen, welche den Exklusivitätsanspruch der NAK zu stark betonten, wurden abgemildert. Bisher vertrat die NAK die Ansicht, sich auf dem einzig richtigen, zur Erlösung führenden Glaubensweg zu befinden. Im neu überarbeiteten Katechismus wurde nun auch anderen Kirchen die Möglichkeit eingeräumt, Erlösung innerhalb ihrer Lehre zu finden. Auch das Wirken und der Besitz des Heiligen Geistes wurden neu definiert; hieß es bis dahin, er sei nur in der NAK zu finden, lautete die revidierte Version, das er auch in anderen Kirchen wirken könne. Allerdings findet sich hier bei genauerem Hinsehen eine Art Doppelformulierung; einerseits wird auch anderen Religionen zugestanden, den Heiligen Geist zu besitzen, andererseits seien aber seine Sendung und sein Besitz gebunden an das Apostelamt. Der Besitz des Heiligen Geistes wird zwar auch anderen Religionen zugestanden, dennoch bleibt der Exklusivitätsanspruch der NAK erhalten, was anhand von bestimmten Formulierungen sichtbar wird (es heißt beispielsweise, der Heilige Geist wirke sicher innerhalb der NAK, und möglicherweise auch in anderen Gemeinschaften).

Weitere Veränderungen betreffen die Stellung des Stammapostels. Bis 1997 galt er als der Repräsentant Gottes auf Erden, diese Aussage wurde aber in einer Änderungsmitteilung an die Amtsträger relativiert, mit welcher Jesus Christus mehr in den Mittelpunkt gerückt wurde und eine deutliche Trennung von Stammapostel und Jesus Christus vollzogen wurde.

2003 wurde das Lehrverständnis der Ersten Auferstehung erweitert. Nunmehr nehmen nicht nur Mitglieder der Apostolischen Kirche an der Ersten Auferstehung teil, sondern die Teilnahme ist auch Märtyrern möglich, die ihr Bekenntnis zu Jesu mit dem Leben bezahlt haben. Jedoch wird betont, dass der neuapostolische Weg einfacher sei.

Die hier exemplarisch genannten Veränderungen der kirchlichen Lehre der NAK werden von Fachleuten und progressiven Mitgliedern der NAK eher kritisch beurteilt. Kritisiert wird vor allem die uneindeutige Formulierung der Neuerungen, diese glichen eher einem Ausloten, wie viel Veränderung notwendig sei, um nicht mehr als Sekte bezeichnet zu werden, während gleichzeitig versucht werde, den Exklusivitätsanspruch mit aller Kraft zu bewahren. In dem Zusammenhang weist Andreas Fincke darauf hin, dass das Problem der Exklusivität eng gebunden sei an das Problem der Werbung von Mitgliedern; warum sollte man bei der NAK Mitglied werden, wenn alle Besonderheiten der Lehre wegfallen würden?

Bereich „Annäherungen der NAK an die Ökumene“

Seit Beginn des neuen Jahrtausends bemüht sich die NAK verstärkt um eine Annäherung an die Gemeinschaft der Christlichen Kirchen. 2001 /02 führte die NAK Deutschland mehrere Gespräche mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK), welche aber bisher noch kein Ergebnis erbracht haben; zuerst müssten substantielle Veränderungen in der kirchlichen Lehre stattfinden, dann könne man über eine Aufnahme nachdenken. Auch in anderen Ländern (Österreich, Dänemark) bemühte sich die NAK, den jeweiligen ökumenischen Räten beizutreten, jedoch ohne Erfolg. Neuerdings wird eine Aenderung der Strategie der NAK berichtet; sie bemüht sich jetzt um einen Beobachterstatus, ähnlich wie ihn die Katholische Kirche innehat.

Abschließend muss betont werden, dass den Anstoß des Änderungsprozesses hauptsächlich die harsche Kritik von ehemaligen Mitgliedern bildete. Mittlerweile existiert aber auch innerhalb der NAK ein progressiver Flügel, welcher Veränderungen fordert und das bisher Erreichte längst nicht für ausreichend hält.

 

iS/Januar 2008

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