«Wir sind Helden, die ein Experiment wagen.» Autorisiertes Interview mit Florian Bärtsch, Gründungsmitglied von M28. (Widmer, 2005)

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von Barbara Widmer


Einleitung

Florian Bärtsch folgte 2000 mit seiner Frau einem Ruf Gottes und zog in die Innerschweiz, um dort zusammen mit zwei anderen Ehepaaren die Gemeindegründungsbewegung M 28 aufzubauen. Das Gespräch fand am 24. September 2005 statt und wurde von Barbara Widmer, freie Mitarbeiterin bei infoSekta, geführt. 

Interview

Herr Bärtsch, können Sie uns schildern, wie M28 entstanden ist?

Ich leite (zusammen mit einem Team) seit rund zehn Jahren ein Missionsprojekt, das in Ländern der zweiten und dritten Welt tätig ist. Dort gibt es eine andere Form von Kirche, einfache Kirchen, sogenannte simple churches,organic churches oder Hauskirchen. Ich fand, es sei das Experiment wert, auch in der Schweiz eine neue Form von Kirche auszuprobieren. Im Juli 2000 sind wir in die Innerschweiz gekommen und im folgenden Herbst haben wir mit dem Aufbau von M28 begonnen.

Was ist das Besondere an dieser Art von Kirche?

Das Besondere ist das Verständnis, was Kirche sein soll. Unter Kirche stellt man sich normalerweise ein Gebäude vor, in dem am Sonntag ein Gottesdienst stattfindet. Dabei redet nur eine Person - der Pfarrer - und viele hören zu. In der Hauskirche teilt man wie in einer Familie das Leben miteinander. Man verbringt Zeit zusammen, isst, spielt und betet gemeinsam. Im Korintherbrief steht, jeder soll etwas zum Gottesdienst mitbringen. Die logische Folge davon ist, dass man sich in Privathäusern trifft. Der jetzige Papst nennt diese Form in seinem Buch «Salz der Erde» Senfkornkirche.

Was ist das Ziel von M 28 und was wollen Sie damit verändern?

Der Grundauftrag, den Jesus seinen Jüngern mitgab, bevor er die Erde verliess, war der Jüngerschaftsauftrag. Der ist in Matthäus 28 nachzulesen und von dort stammt auch unser Name. Wir schauen, wie es die Jünger damals gemacht haben: In den ersten 300 Jahren hat sich das Christentum als «family of love» verbreitet und nicht über Programme, komplexe kirchliche Strukturen und  Kampagnen. Unser wichtigstes Ziel ist es, den Befehl Jesus umzusetzen. Wir wollen den Glauben jedoch nicht nur leben, sondern auch verbreiten. In Indien hat es heute sehr viele Hauskirchen, vor allem unter den «Unberührbaren»(1). Auch in China hat es rund 100 Millionen Christen, die sich in Häusern treffen - dort sind offizielle Kirchen ja verboten. Die Weitergabe des Glaubens verläuft spontan und ohne Hierarchie. M28 ist eine Laienbewegung. Die Arbeit wird von Laien ehrenamtlich geleistet. Das Revolutionäre daran ist der Paradigmenwechsel, dass Taufen,Abendmahl, Predigen,Leiten usw. jeder kann, nicht nur ein heiliger Mann. M28 ist ein «Basiskirchenexperiment» in einer religiösen Landschaft, in der das Monopol bei den drei Landeskirchen liegt. Logisch, dass es da Spannungen gibt und dass das Establishment uns gegenüber misstrauisch ist.

Welche Leute kommen zu M 28? Sprechen Sie eine besondere Gruppe an?

Europaweit sind 71%  der Bevölkerung gläubig. In der Schweiz besuchen zehn Prozent zwei Mal im Monat den Gottesdienst der Landeskirchen und rund zwei Prozent gehören zu einer evangelikalen Gemeinschaft. Das sind also zwölf Prozent, die Zugang zur jetzigen Form  von Kirche haben. 70 bis 90% sind zwar gläubig, finden zu den bestehenden Formen der Kirchen aber keinen Zugang. Solche Menschen kommen zu uns. Vor allem junge Leute «hängen» gerne zusammen herum. Wenn eine Kirche kommt, die ein ähnliches Zusammensein bietet, ist das für sie natürlich attraktiv. So sind wir vom Alter her gemischt, das Durchschnittsalter liegt ungefähr bei 30 bis 35 Jahren. 

Wie sieht die Struktur von M 28 aus und was ist Ihre Funktion? 

Wir haben eine dezentrale Struktur. Wenn sich Leute sammeln, bilden sich «Eltern» heraus, die die Leitung in einem Haus übernehmen. Pro Haus sind das drei bis vier Leute. Wir nennen sie Diakone. Einmal im Monat treffen sich auch alle Häuser eines Netzwerkes zu einer gemeinsamen Celebration (Gottesdienst), Gebetsabend, Spieltag und anderen Aktivitäten. Ein solches Netzwerk besteht aus maximal fünf Häusern und wird vom Ältestenteam betreut, das aus vier bis fünf Leuten besteht und die Aufgabe hat, den Überblick über das Netz zu behalten. Diakone und Älteste sind Trainer, die den Einzelnen helfen, ihr Potential besser auszuschöpfen. Dann gibt es noch das Gemeindegründungsteam, das als mobiles Team, neue Hausgemeinden gründet und  die verschiedenen Netze bis zur Selbständigkeit betreut. Ich selbst bin in diesem Team tätig. Dort bin ich so etwas wie ein Pressesprecher. Trotz dieser Funktion habe ich aber nie alleine eine Entscheidung gefällt, da es bei uns keine Einzelleiter geben darf. Wir wollen Hausgemeindebewegungen in Gang bringen. Danach geben wir die Verantwortung aber möglichst schnell wieder weiter. M28 besteht zur Zeit aus 15 Hauskirchen, zwei davon sind 6-8Hausgemeinden bereits im Endstadium ihrer Entwicklung, drei Hausgemeinden in der Mitte und vier  sind dabei zu entstehen. Für meine Frau und mich ist die Arbeit hier nun getan. Deshalb werden wir weggehen und nach einer Weiterbildung vermutlich in den Raum Zürich umziehen. Von hier aus werden wir  zusammen mit einem Team als Mentoren und Berater von Gemeindegründungsteams in  der ganzen Schweiz und im Ausland aktiv werden.

Wie viele Mitglieder hat M28 heute?

Das mit dem Wort ”Mitglied” ist so eine Sache. Das Neue Testament beschreibt konkret, wie Christen Gemeinschaft leben. Wenn sich jemand bei uns beteiligen möchte, schauen wir, ob er hinter dieser Form von gelebter Gemeinschaft wie sie im Neuen Testament beschrieben ist,stehen kann. Ist das so, gehört er zur Gemeinschaft. Im Moment sind rund 150 Erwachsene und 50 Kinder dabei.

Welches sind die Kooperationspartner? In welche Netzwerke sind sie eingebunden?  

Wir sind Mitglied der Evangelischen Allianz Luzern. Die Evangelikalen haben weltweit die Grundüberzeugung, dass die Bibel wahr ist. Durch den Ausschluss eines Gründungsmitglieds aus M28 ist allerdings eine schwierige Situation entstanden, die dazu geführt hat, dass in der Evangelischen Allianz ein Antrag auf Ausschluss von M28 gestellt und unsere Mitgliedschaft bis zur Klärung der Situation sistiert wurde. Es kann aber eigentlich niemand ausgeschlossen werden, weil die Allianz nicht als Verein, sondern als freundschaftliches Netzwerk organisiert ist. Jetzt wo die grosse Welle der öffentlichen Aufmerksamkeit durch ist, sind alle müde und wollen die Sache möglichst schnell abschliessen. Wie mir mitgeteilt wurde laufen im Moment Abklärungen, die in absehbarer Zeit wohl auch zu einer definitiven Klärung unseres Status führen werden. Mein Wunsch ist, dass wir noch einmal alle zusammen beten und gesegnet werden.(2) Ein weiterer Partner ist Kingdom Ministries. Als ich zu reisen begann, lernte ich diese neue Form der Mission kennen. Früher wurden Schweizer zu den «armen Negern» geschickt, um dort eine Missionsstation aufzubauen. Kingdom Ministries hingegen sucht vor Ort einheimische Partner, denen wir bei der Mission helfen. Diese Form der Mission nennt sich non residential mission (nrm). Wir gehen immer wieder dorthin und helfen ihnen, ihre eigenen Ziele zu verwirklichen. Wir bringen Freundschaft, manchmal auch Geld für das Training und beraten diese Leute. Dadurch entstanden im Laufe der Zeit hunderte von Kontakten. Innerhalb der evangelikalen Szene kennt man sich natürlich auch.

Was ist Ihre Glaubensgrundlage?

Wie alle Evangelikalen stützen wir uns auf die Bibel. Sie ist wie eine Kugel: Alle Wahrheiten gehören zu ihr, einige sind aber zentraler als andere. Für alle Evangelikalen steht Jesus im Zentrum. Die Liebe zu Gott und die Nächstenliebe sind die zentralen Werte und auch der Jüngerschaftsbefehl ist von grosser Bedeutung. Die Bibel ist die Wahrheitsquelle, die jedoch interpretiert werden muss. Darüber gibt es viele Diskurse und Bücher, die wir ebenfalls mitverfolgen und lesen.

Glauben Sie an die Existenz von Dämonen? 

Ja, daran glaube ich. Glauben im Sinne von, ich halte für wahr, dass es sie gibt. Das ist nichts Besonderes: Alle Evangelikalen glauben daran. Die Bibel schildert sie als erschaffene Wesen, sie sind also nicht präexistent wie Gott. Dämonen stellen sich gegen das Wirken von Gott: Sie stehlen, zerstören, töten. Im Westen sagt man dazu «das Böse». Es sind körperlose Geistwesen, die von Gott geschaffen wurden. Alles wird ja von Gott erschaffen, selbst die Gottesleugner und Atheisten. Gott arbeitet immer mit Freiheit. Deshalb sind auch diese Geistwesen frei und können selber wählen, ob sie Dämonen oder Engel sein wollen. Alle Menschen und Völker wissen um gute und böse geistliche Wesen; nur wenige aufgeklärte Westler leugnen die geistliche Welt. Die Dämonen sind für mich aber nur ein Nebenthema, das Hauptthema ist Gott.

Wie können Sie zwischen der Besessenheit durch einen Dämonen und einer psychischen Störung unterscheiden?

Alle Menschen sind mehr oder weniger stark konfrontiert mit dem Bösen und sind mehr oder weniger davon beeinflusst und manipuliert. Es ist ein Kontinuum, welches von «gar nicht von Dämonen beeinflusst», über «von Dämonen umgeben» bis zu «Dämonen in sich haben» reicht. Eine leichte Form wäre beispielsweise, wenn jemand in der Nacht Fratzen sieht. Wenn es zu unkontrollierte Handlungen kommt, d. h. jemand die körperliche Motorik nicht mehr kontrollieren kann und sich auf dem Boden wälzt, handelt es sich um eine massivere Form. Jesus hat nur gehandelt, wenn es manifeste Äusserungen des Bösen gab; wenn es wahrnehmbar, sichtbar war. Beim Umgang mit Dämonen ist Vorsicht geboten, man darf nichts suggerieren. Wenn der von uns praktizierte Befreiungsdienst nicht weiterhilft, gehen wir davon aus, dass es sich um eine psychische Störung handelt und verweisen die Leute an uns nahe stehende Psychiater. Und manchmal ist es auch gerade die umgekehrt und wir sprechen zuerst mit einem Facharzt und helfen dann mit einem Befreiungsdienst.

Wie muss man sich diesen Befreiungsdienst vorstellen? Was läuft da konkret ab?

Wenn jemand entsprechende Symptome zeigt, verweisen wir ihn auf die Bibel. Nimmt er die Bibel für sich an, verschwinden die Symptome meistens. Wir helfen nur, wenn es jemand selber will und oft nur mit einer schriftliche Einwilligung. In Lukas 4 steht: «Der Geist des Herrn ruht auf mir, weil er mich gesalbt hat; er hat mich gesandt, den Armen frohe Botschaft zu bringen, den Gefangenen Befreiung zu verkünden und den Blinden das Augenlicht [....]».(3) Wer von Dämonen umgeben oder besessen ist, ist ein geistlich Gefangener. Dies ist der Ausgangspunkt des Befreiungsdienstes. In 80% der Fälle läuft er ähnlich ab. Einmal kam beispielsweise ein Mann zu mir, weil er in der Nacht Fratzen sah. Im Diagnosegespräch kam heraus, dass er früher als Medium gearbeitet hat. In der Bibel steht aber, okkulte Praxis sei heikel. Ich habe ihm gesagt, er solle in der Bibel die Stellen lesen, die mit Spiritismus zu tun haben und selbst prüfen. Dieser Mann kam zurück und sagte: «Das hat in mir etwas ausgelöst; das leuchtet mir ein». Dann hat er mit Gott gesprochen und ihm gesagt, er habe Fehler gemacht. Damit hat sich dieser Mann von der okkulten Praxis gelöst und sie vor Gott als falsch erkannt. Einige Betroffene machen dies allein und bei anderen Betroffenen bin ich dabei. Bei diesem Prozess sprechen wir dem Menschen zu, geben ihm Bestätigung und sprechen aus, dass Gott ihm vergeben hat. Wenn sich jemand nicht lossagen kann - manche können wirklich nicht mehr sprechen und zum Teil nicht mehr stehen - spreche ich die Geistwesen direkt an und sage ihnen, sie sollen den Betroffenen frei lassen. Danach können sie meistens wieder reden bzw. stehen.

Wer darf bei M28 diesen Dienst leisten? Wird man dazu ausgebildet?

Jeder mündige Jünger kann gemäss dem Neuen Testament die Dienste der Befreiung und Heilung  vollziehen. So steht etwa in  Lukas 10 dass Jesus seine Jünger aussandte und ihnen eine Generalvollmacht (Kraft und Autorität) für den Dienst der Heilung und Befreiung gab. Die Jünger müssen den Heilungsdienst und Befreiungsdienst natürlich zunächst lernen, bevor sie ihn praktizieren können. Das Training für den Heilungs- und Befreiungsdienst machen wir bei  M-28  ähnlich wie es Jesus in der Ausbildung seiner Jünger praktizierte. Also nicht so sehr theoretische Schulungen im Frontalunterricht sondern ganzheitlich. Jesus selber trainierte seine Jünger nach folgendem Dreischritt: Jesus heilte/befreite und seine Jünger schauten zu und lernten. Jesus beauftragte seine Jünger und er schaute zu und korrigierte Dann heilten/befreiten seien Jünger und andere Jünger schauten zu und lernten usw. 

Glauben Sie an Wunder?

Ich glaube an Wunder, wie sie in der Bibel beschrieben werden, und daran, dass es solche Wunder auch heute noch gibt. Ich habe schon sehr viele Wunder erlebt. Aus dem Bereich der Heilung beispielsweise: Menschen, die taub waren und wieder hören konnten; Gelähmte, die wieder laufen konnten; dass Migräne oder Krebs verschwanden. Ich kann Wunder bezeugen, versuche aber nie, sie zu beweisen.

Wie sieht der Heilungsdienst aus und wer leistet ihn?

Am häufigsten in den Häusern oder bei Besuchen/Treffen. Oft auch innerhalb oder am Ende des Gottesdienstes wird für alle Kranken gebetet. Manchmal gibt es nach dem Gottesdienst eine spezielle ministries time, in der entweder mit allen zusammen oder mit Einzelnen für die Heilung gebetet wird. Alle mündigen Jünger können diesen Dienst leisten. Es gibt aber solche, die mehr Begabung dafür haben als andere. Oft werden auch die Ältesten gebeten, ihn zu leisten. Gott gibt alle Heilungskraft. Sei es durch die Medikamente, die Ärzte oder das Handauflegen.

Sie praktizieren Gemeindezucht. Was ist damit gemeint?

Die Gemeindezucht ist in Matthäus 18 beschrieben. Wenn ein Bruder gesündigt hat, nicht nur einmal, sondern dauerhaft, so soll man unter vier Augen mit ihm reden. Wenn er weitermacht, werden mindestens ein bis zwei Zeugen zur Konfrontation hinzugezogen. Hat dies ebenfalls keinen Erfolg, so sagt man es ihm vor der ganzen Gemeinde. Wenn er dann immer noch nicht hört, kommt es zum Ausschluss. Wir befolgen hier die Vorgaben der Bibel.

Wer definiert bei M28 denn, was Sünde ist?

Die Bibel. In ihr werden rund hundert Sünden aufgezählt. Gemeindezucht übt also die Bibel aus. Der Sünder wird mit der Bibel konfrontiert. Damit wollen wir ihm nicht schaden, sondern helfen, die Nachfolge Jesus gut leben zu können. Es ist kein Machtmittel, sondern ein Liebesmittel. Unter den Theologen wird die Frage diskutiert, ob alle hundert Sünden relevant sind für einen Gemeindeausschluss oder nur eine Auswahl davon. Bei manchen Gemeinden führen nicht alle Sünden zur Gemeindezucht. Die Gemeindezucht  ist aber bei allen christlichen Bekenntnissen zu finden, bei Luther, Calvin, bei den Katholiken und den Evangelikalen. Nur die liberalen Christen praktizieren sie nicht mehr. Bei M28 haben wir gemeinsam besprochen, wie wir die Gemeindezucht handhaben wollen und entsprechende Leitlinien festgelegt. Für uns sind alle hundert von der Bibel namentlich erwähnten Sünden relevant.

Ehemalige Mitglieder werfen M28 vor, sektiererisch zu sein. Können Sie mir erklären, was dagegen spricht?

Selbst die Sektenberatungsstellen sind sich nicht einig, was eine Sekte ist. Ich habe im Studium gelernt, dass eine Sekte eine Gruppe ist, die etwas zur Bibel hinzufügt oder wegnimmt. In den letzten Jahren wurde die Definition allerdings mehr auf die Beziehungsebene verlagert. Als weiteres wichtiges Kriterium ist Totalitarismus (Gruppe mit totalitären Tendenzen) dazu gekommen. Dieser Beschreibung schliesse ich mich an. Ich gebe aber kein offizielles Votum über eine andere Gruppe ab, das ist nicht meine Sache. Zu unserer Gruppe ist zu sagen, dass wir versuchen uns nach der Bibel richten und dass wir wirklich alles andere als totalitär sind. Wir haben ja gar keine Hierarchie. M28 ist sicher keine Sekte.

Weitere Vorwürfe sind geistlicher Missbrauch, psychischer Druck, Dämonenaustreibung, Verletzung der Grundrechte, Verleumdung. Was stellen Sie sich dazu?

Nehmen wir das Beispiel des geistlichen Machtmissbrauches: Das ist eine Worthülse und sagt nichts Konkretes aus. All diese Vorwürfe müssten konkretisiert werden. Wer hat mit wem wo geistlichen Machtmissbrauch betrieben? Oder ehespalterische Tendenzen: Welche Ehen gingen auseinander? Ich sage seit Monaten, diese Leute, die da scheinbar etwas gegen uns haben,  sollen sich melden, bei mir oder bei der Ombudsstelle, die die Evangelische Allianz Luzern eigens für diesen Fall eingerichtet hat. Aber bis jetzt kam niemand. Ich sage nicht, dass bei uns nie etwas schiefläuft. Das kann nicht verhindert werden, wenn man mit Laien arbeitet. Das passiert übrigens in jeder Kirche. Mir sind viele Fehler bewusst, die wir gemacht haben. Wir haben zum Beispiel zu viel gearbeitet, weil wir von dem Projekt so begeistert waren. Klar, dass darunter die Beziehungen gelitten haben. Ich als Ältester hätte das am ehesten merken müssen. Wir haben die Leute zu früh eingesetzt und mit anderen arbeiten lassen. Neue Werte brauchen Zeit und Raum, um eingeübt zu werden. Wir waren wohl zu ungeduldig. Im Stress haben wir zu wenig und zu spät kommuniziert und korrigiert. Heute schauen wir regelmässig, wo unser Stärken und Schwächen liegen. Das haben wir auch in einem Teamschreiben zu Handen der Evangelischen Allianz Luzern festgehalten. Wir sind nicht die Alleinigen, die Allwissenden. Wenn Kinder in eine Familie hineingeboren werden, übernehmen sie weitgehend die Werte der Eltern. Ähnlich ist es bei uns. Das Gemeindegründungsteam vertritt gewisse Werte, die in die Gemeinden einfliessen. Im Gemeindegründungsteam haben wir viele Diskussionen, aber es können auch Fehlentscheide dabei sein. Deshalb sind Beobachtung und Kritik gut. Wir arbeiten auch mit verschiedenen Mentoren, einer davon ist Dick Scoggins. Ich liebe die Diskussion und die Auseinandersetzung. Ich habe keine Probleme damit, Fehler zuzugeben. Aber ich kann sie nicht dort zugebe, wo ich sie nicht einsehe. Ich mag allerdings auch nicht, dass unsere Leute als Sektierer da stehen. In Wirklichkeit, sind Sie Helden, die ein Experiment wagen! Die Medien haben da etwas angerissen und gehen nun wieder zur Tagesordnung über. Wir aber stehen da mit einem bleibenden Schatten und Misstrauen. Ich bin erschrocken, wie schnell das ging: Eine Person streut etwas und die Medien übernehmen das einfach so. Sehr schnell werden schwere Geschütze aufgefahren und sofort kommt der Vorwurf des Totalitarismus. Es wird mit Schubladen gearbeitet. Das lässt mich nach den ethischen Richtlinien der Journalisten fragen.

Wie erklären Sie sich diese Entwicklung und welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

Wir ziehen laufend Konsequenzen. Wir müssen unsere Diakone stärker in der soziologischen Dimension trainieren, d. h. in Bezug auf Gruppendynamik und Konfliktbewältigung. Ich bin mir sicher, dass die Vorwürfe eine Kampagne eines oder mehrerer verletzten Mitglieder sind. Gemeindezucht und Dämonen sind medienwirksame Schlagwörter. Ich habe mit den JournalistInnen gesprochen, die beriefen sich alle auf Sektenberatungsstellen. Diese schieben den Schwarzen Peter wiederum den Medien zu: So wurde unsere Gruppe verteufelt. Das ist für mich nahe an der Denunziation und der Verleumdung.

 

Herr Bärtsch, wir danken für das Gespräch.

 

 

(1) Die Hindugesellschaft ist nach Kasten strukturiert. Die Unberührbaren sind die unterste aller Kasten.
(2) Gemäss Angaben der Evangelischen Allianz Luzern, wurde die Mitgliedschaft  2005 bis auf weiteres sistiert.
(3) Quellennachweis: Jesaja, 61

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