Darstellung und Stellungsnahme zu M 28 (Widmer/Zurbriggen, 2007)

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von Barbara Widmer und Seraphina Zurbriggen


Warum infoSekta sich mit M 28 beschäftigt...

In der Beratungstätigkeit sieht sich infoSekta zunehmend mit charismatischen Bewegungen* und fundamentalistischen Tendenzen* im reformierten, freikirchlichen Raum konfrontiert. M 28 ist als evangelikale Gruppe* aus dem christlich-fundamentalistischen Bereich mit klar charismatischen Zügen einzuordnen, wobei die Gemeindegründung im Mittelpunkt steht.
Die ersten Anfragen zu M 28 erhielt infoSekta im Jahr 2004. Seither meldeten sich um die zehn Ratsuchende, darunter Ehemalige und besorgte Angehörige. Obwohl die Anzahl der Ratsuchenden klein ist, sind deren persönliche Belastungen verhältnismässig gross. Zurzeit ist es ruhig um die Gruppe M 28 in der Schweiz geworden, jedoch gibt es Hinweise, dass der Leiter der Gruppe dabei ist, eine neue Organisation zu gründen.

 

*Erklärung der Begriffe mit* siehe alphabetisches Glossar

Darstellung M 28: Geschichte

Gemäss M 28 hat Gott in den Jahren 1999 und 2000 drei Ehepaaren und sechs Einzelpersonen den Auftrag gegeben, von der Zentralschweiz aus neue Gemeinden zu gründen. Im August 2000 schliessen sich diese zwölf Personen zusammen und gründen M 28, wobei sie sich mit dem Namen auf das Kapitel 28 aus dem Matthäus Evangelium beziehen. Eigenen Angaben zu folge beten sie zunächst intensiv, bevor sie mit der «Powerevangelisation» beginnen, d.h. mit Gottesdiensten, in denen es zu Heilungen und Dämonenaustreibungen kommt. Bei solchen Veranstaltungen soll eine Frau von Krebs geheilt und eine blinde Person wieder sehend geworden sein. Gemäss eigenen Angaben zählt M 28 rund 150 Mitglieder. (www.m-28.ch, www.gg-live.ch, «Beobachter») (1)
Nach dieser Anfangszeit beginnt M 28 damit, mehrere Untergruppen zu gründen. Im Frühjahr 2001 gründen sie zusammen mit anderen Kirchgemeinden der Evangelischen Allianz Luzern den Verein Imp@ct. Zweck dieses gemeinnützigen Vereins ist, soziokulturelle und präventive Veranstaltungen für Jugendliche durchzuführen, mit dem Ziel das Selbstbewusstsein der Jugendlichen zu fördern. (www.m-28.ch, www.gg-live.ch, www.impact-Luzern.ch)
Im Sommer 2002 wird mit sieben TeilnehmerInnen die praxisorientierte Gemeindegründerausbildung GG-live gestartet. Als Vorbild dient dabei Jesus, der seine zwölf Nachfolger in drei Jahren zu Jüngern gemacht und sie zu Gemeindegründern «ausgebildet» hat. Der 3jährige Lehrgang ist insofern praxisorientiert, als die Teilnehmenden neben dem Besuch des Theorieunterrichts aktiv an einer Gemeindegründung mitarbeiten. In Gruppen aus drei bis vier Leuten sollen die KursteilnehmerInnen zehn bis zwanzig Menschen zu Jesus bekehren (Evangelisation), diese dann geistlich trainieren (Jüngerschaft) und schliesslich Starthilfe für zwei neue Hausgemeindegründungen geben (Multiplikation / Sendung). Das Herzstück der Ausbildung ist jedoch der spirituelle Teil, d.h. die innige und persönliche Beziehung zu Jesus. (www-gg-live.ch)

 Für die theoretische Ausbildung wird u.a. auf SGL (Studien zum geistlichen Leben) zurückgegriffen, ein «Ausbildungstool für die 1:1-Jüngerschaft» (www.sgl-international.ch). Grundlage ist das Buch «Studien zum geistlichen Leben – SGL» von Harold Burchett sowie ein selber erarbeitetes Handbuch. (www.gg-live.ch, www.sgl-international.ch)
Seit Herbst 2003 arbeitet GG-live mit dem IGW  (Institut für Gemeindebau und Weltmission) in Zürich zusammen, wobei der Leiter von M 28 Florian Bärtsch, auch Dozent am IGW ist. Das IGW gehört zum evangelikalen Spektrum und bietet eine Ausbildung an, in der Theorie und Praxis ebenfalls miteinander verknüpft sind. (www.gg-live.ch und igw.edu)
Nach dieser Phase des Aufbaus von M 28 werden im Frühjahr 2005 erstmals kritische Stimmen hörbar. Einige Mitglieder wenden sich an Sektenberatungsstellen, und die Presse beginnt  sich mit M 28 zu befassen. Es treten relativ viele Mitglieder aus, weil sie, wie sie berichten, erheblich unter Druck gesetzt würden. Zudem wird eines der Gründungsmitglieder aufgrund grundlegender Differenzen zum Leitungsteam aus der Gemeinschaft ausgeschlossen.
Aufgrund dieser Vorfälle sistiert die Evangelische Allianz Luzern (EAL) 2005 die Mitgliedschaft von M 28 bis auf weiteres. Sie klärt nun ab, ob M 28 wirklich gegen die Grundlage der Allianz, wonach die Würde und die Eigenverantwortung des Einzelnen zu respektieren ist, verstösst. («Neue Luzerner Zeitung»)
Das ehemalige Leitungsmitglied von M 28, welches nach Meinungsverschiedenheiten aus der Gemeinschaft ausgeschlossen worden ist, gründet eine Opfergruppe. In dieser Opfergruppe haben sich bis heute zwanzig bis dreissig ehemalige Mitglieder zusammengeschlossen, um ihre Erfahrungen festzuhalten. Einige überlegen sich auch, Zivilklage gegen den Leiter der Gruppe einzureichen. Das ehemalige Leitungsmitglied von M 28 hat bereits am 31. Mai 2005 Klage wegen Verleumdung und Ehrverletzung gegen das Leiterteam eingereicht. Das Verfahren wurde jedoch aus formalen Gründen eingestellt.
Ehemalige Mitglieder werfen M 28 «geistlicher Missbrauch, massiven psychischen Druck, Machtmissbrauch, Sektierertum, Dämonenaustreibung, Verletzung der Grundrechte, Missachtung der Privatsphäre und Verleumdung» vor. Dies habe bei einzelnen  Mitgliedern zu Selbstmordabsichten, Zerstörung der Ehe, Herzanfällen, Nervenzusammenbrüchen und Aufenthalten in psychiatrischen Kliniken geführt. (Siehe Interviews, die infoSekta mit den Aussteigern geführt hat, «Neue Luzerner Zeitung», «Idea Schweiz», «Beobachter», «Die Region», «20minuten») Florian Bärtsch wehrt sich gegen diese Vorwürfe: «Wenn man eine Bewegung als Sekte hinstellen will, bringt man oft solche Vorwürfe wie geistlicher Machtmissbrauch oder totalitäre Tendenzen» («Neue Luzerner Zeitung», 28.05.05). Grundsätzlich sieht Bärtsch M 28 «als Opfer der persönlichen Rache eines Betroffenen» («Beobachter», 8.7.05). Er räumt zwar ein, es sei möglich, dass einzelne Gemeindeleiter zu weit gegangen seien, betont aber, die Regeln in den Gemeinden seien nicht totalitär. (Siehe Interview, das infoSekta mit Herrn Bärtsch geführt hat, «Neue Luzerner Zeitung», «Idea», «Beobachter», «Die Region», «20minuten»)

Darstellung M 28: Leitung und Struktur

Drei Ehepaare bilden das Leitungsteam. Ihre gemeinsame Aufgabe ist, die Grundsätze, Struktur und Regeln von M 28 festzulegen sowie die verschiedenen Hausgemeinden, aber auch einzelne Personen zu betreuen. Gemäss Bärtsch sehen sie sich als Trainer von Einzelpersonen und helfen, neue Hausgemeinden zu gründen. Eine Hierarchiestufe unter dem Leitungsteam stehen dann die Hauskirchenleiter, sog. Diakone, welche die Hauskirche leiten und die Mitglieder ihres Hauses «coachen».
Die Leitfigur von M 28 ist Florian Bärtsch. Nachdem er 1985 sein Theologiestudium an der staatsunabhängigen theologischen Hochschule Basel beendet hat, arbeitet er als Bibelschullehrer, absolviert ein Gemeindepraktikum, reist als Evangelist durch die Schweiz und durchs nahe Ausland. Während Florian Bärtschs Schwerpunkte bei Lehre, Evangelisation und Gemeindegründung liegen, ist seine Frau Anni Bärtsch vor allem für Heilung und prophetische Predigt zuständig. (www.schleife.ch/D/forum/reda/interview_baertsch.htm)
1991 ruft Bärtsch zusammen mit Erich Reber «Lords Meeting» ins Leben. Getragen werden diese Prophetie- und Heilsgottesdienste in der Thuner Stadtkirche vom Verein Lazarus, welcher eine Drogenentzugstherapie, ein Café und einen Jugendtreff anbietet. Im Frühjahr 2002 verwehrt der Kirchengemeinderat Lords Meeting jedoch das Gastrecht in der Stadtkirche. Zu diesem Schritt kommt es aufgrund der Kritik, an diesen Veranstaltungen werde mit Strafen für Sünden gedroht und Druck auf die TeilnehmerInnen ausgeübt, persönliche Bekenntnisse abzulegen. (www.jesus.ch, www.lazarus.ch, www.dneurope.org)
1993/1994 gründet Bärtsch zusammen mit seiner Frau Anni und Erich Reber Kingdom Ministries mit dem Ziel, die Ausbreitung des Reich Gottes voranzutreiben und den Kampf aufzunehmen gegen Alkohol, Pornographie, Homosexualität, Filmindustrie, Okkultismus, Atheismus, Mammon sowie Götzenanbetung. Geschehen soll dies mittels Evangelisation und Gemeindegründungen. (www.kingdomministries.ch)

Bärtsch ist ein Vertreter der Hauskirchenbewegung, die auf den Amerikaner Dick Scoggins zurückgeht und zu der auch M 28 gehört. Scoggins Buch «Der Bau von miteinander vernetzten Hausgemeinden» wird von Kingdom Ministries ins Deutsche übersetzt und herausgegeben. («idea», www.kingdomministries.ch, www.m-28.ch, www.dickscoggins.com)
Nach einem längeren Aufenthalt bei seinem Mentor Scoggins in London, beginnt Bärtsch 2006 zusammen mit Monika Flach von Kingdom Impact und anderen Personen im Raum Zürich «dynamic network europe» (dne) aufzubauen. Dne will in ganz Europa Gemeindeneugründungen durch Kurse und durch Coaching von Gemeindegründungsteams fördern. (www.dneurope.org) 
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass M 28 mit folgenden Bewegungen in Verbindung steht: gg-live, Kingdom Ministries, Lords Meeting / Lazarus, Dynamic Network Europe (dne), Imp@ct (von M 28 mit anderen Kirchgemeinden der EAL gegründet), Forum för’s Läbe / Surseelive (M 28-Ableger), Verein Impuls Luzern (M 28-Ableger), Evangelischen Allianz Luzern (die Mitgliedschaft ist seit 2005 bis auf weiteres sistiert), Kingdom Impact (von Monika Flach in Hannover gegründet, zusammen mit Flach gründet Bärtsch dne. Im Impact Online-Shop sind CD’s vom GG-Team und von Bärtsch erhältlich), Stiftung Schleife (Winterthur), sgl, Alphalive.

Darstellung M 28: Ziel und Werte

Langfristiges Ziel von M 28 ist, «eine flächendeckende Bewegung von sich selbst multiplizierenden Jüngerschaftsgemeinden ausgehend von den sechs Kantonen der Innerschweiz, über Europa bis ans Ende der Welt» (www.m-28.ch) aufzubauen. Diesen «Auftrag» leiten sie von Matthäus 28 (3) ab, der nicht nur ein Missions-, sondern auch einen Jüngerschaftsbefehl enthalte. Ziel ist, die Menschen zu evangelisieren. Wird jemand evangelisiert, d.h. findet er zu einer persönlichen Beziehung zu Gott, so wird er wiedergeboren. Die evangelisierten Frauen und Männer sollen sich in Hausgemeinden zusammenschliessen, die jeweils aus zwei bis drei Familien bestehen und miteinander verknüpft sind. In diesen Hausgemeinden «herrscht eine relativ strenge Hierarchie und eine deutliche Abgrenzung gegenüber der Aussenwelt. Mitglieder der Hausgemeinde schliessen einen Bund, bei dem sie sich zu einer strengen Lebensführung nach biblischen und moralischen Prinzipien verpflichten» («idea»). Diese Art von Bund wird damit erklärt, dass M 28 sich nicht als Gruppe, sondern als Familie sieht. Eine Gemeinde entspricht einer geistlichen Familie, in die Kinder hinein geboren werden und dort in einem «geschützten und ermutigenden Rahmen aufwachsen» (www.m-28.ch). In der Gemeinde wird alles miteinander geteilt und jedes Mitglied wird seinen Fähigkeiten entsprechend gefördert. Herzstück einer geistlichen Familie ist die Liebe («family of love»). Wie eine normale Familie kann sich auch eine geistliche Familie vermehren und neue Familien gründen (Multiplikation). Die «families of love» zeichnen sich durch drei sog. «Herzwerte» aus: Gemeinschaft (Koinonia), Jüngerschaft (Erziehung) und Multiplikation (Vermehrung). In Anlehnung an den Apostel Paulus beschreibt M 28 den Gemeindegründungs-Kreislauf mit folgenden Phasen: Teambildung, Gebet, Evangelisation, Jüngerschaft, Leiterentwicklung und Multiplikation. Sich zu vermehren, ist allerdings nicht nur für die Gemeinde wichtig, sondern auch für die natürliche Familie, es nicht zu tun, sei gar «genetisch krank» und schadhaft (4). (www.m-28.ch) Theoretisch kann dieser Bund von beiden Seiten gelöst werden. Wie die Erfahrung von ehemaligen Mitgliedern jedoch zeigt, wird der Wunsch diesen Bund zu lösen vom Leitungsteam zunächst vehement abgelehnt, später dann aber von seiner Seite her vollzogen. (www.m-28.ch, «idea»)
Um die Lebensführung nach biblischen und moralischen Prinzipien in den Hausgemeinden zu gewährleisten, wird das Mittel der Gemeindezucht* eingesetzt: Relevant für die Gemeindezucht sind bei M 28 rund 100 in der Bibel festgehaltene Sünden. M 28 übt Gemeindezucht, aus, indem sie ein Mitglied, das sündigt, zunächst unter vier Augen ermahnt. Zeigt dies keine Wirkung, werden zur Ermahnung Zeugen hinzugezogen und schlussendlich wird das Mitglied mit seinen Sünden vor der ganzen Gemeinde konfrontiert. Wer den Versuchungen nicht widerstehen kann, wird von der Gemeinde ermahnt und zur Busse aufgefordert.
M 28 geht davon aus, dass Dämonen existieren, welche die Menschen umgeben oder gar von ihnen Besitz ergreifen. Dieser Auffassung zufolge sind manche Menschen gar nicht von ihnen beeinflusst und manipuliert, andere ein wenig und manche stark. Ob jemand von Dämonen beeinflusst oder besessen ist, zeigt sich in unterschiedlichsten Formen: beispielsweise in schlechten Träumen, unkontrollierten Handlungen, Abhängigkeiten, fremden Glaubensformen, okkulten Betätigung, organischen Krankheiten usw. Die Dämonen werden dann in Heilungs- und Befreiungsdiensten* ausgetrieben. Auf eine Dämonenaustreibung bereitet sich das Befreiungsdienst-Team mit Gebeten vor. Dann werden die Dämonen im Besessenen angesprochen und nach ihrem Namen und ihrer Stellung in der Hierarchie befragt und schlussendlich im Namen Jesu ausgetrieben. Bärtsch berichtet in einem persönlichen Interview mit infoSekta sinngemäss, dass jeder mündige Jünger gemäss dem Neuen Testament die Dienste der Befreiung und Heilung vollziehen könne. Die Jünger müssen den Heilungsdienst und Befreiungsdienst natürlich zunächst lernen, bevor sie ihn praktizieren können. Sie lernen dies in einem dreistufigen Vorgehen: zuschauen – selber praktizieren – weiter lehren.

Zielgruppe

M 28 richtet sich vor allem an junge Menschen und an junge Familien. Dementsprechend sind bzw. waren auch die Homepages von M 28 und GG-live in jugendlicher Sprache gehalten: «Powerministries», «Crashweekend», «Fun», «ist einfach mega», «easy», «völlig ok», J. Die Sprache von M 28 und GG-live, auch die von Kingdom Ministries, ist zudem stark militärisch geprägt: «Missionsbefehl / Jüngerschaftsbefehl», «Machtdemonstration des Reiches Gottes», «geistliche Landeinnahme», «strategisches Gebet», «neue Gebiete aufbrechen» usw. (www.m-28.ch, www.gg-live.chwww.kingdomministries.ch).
Auffallend ist zudem, dass sich viele kranke Menschen an die Gruppe wenden, die sich aufgrund der Heilungsdienste Hoffnung machen,  wieder gesund zu werden. 

Einschätzung der sektenhaften Strukturen und Prozesse

infoSekta erachtet folgende Strukturen und Prozesse in M 28 als problematisch: die Führungsstruktur, das Welt- und Selbstverständnis der Gruppe, die Gemeindezucht und die Heilungsversprechen und Befreiungsdienste. 

Führungsstruktur

M 28 hat zwar ein Leitungsteam, eindeutige Leitfigur ist jedoch Florian Bärtsch. Er hat sogenannte Eindrücke (=Visionen, Eingebungen) und sieht Dämonen. Frau Bärtsch werden göttlichen Fähigkeiten, im Sinne von Prophetie zugesprochen. Aussteiger berichten, dass das Leiterpaar jegliche Kritik abblockt, absoluten Gehorsam verlangt, keine anderen Meinungen akzeptiert und einen Wahrheitsanspruch für ihre Lehrmeinungen erhebt. Nicht nur das Ehepaar Bärtsch fordert absoluten Gehorsam, auch die übrigen Mitglieder des Leitungsteams, sowie die Hauskirchenleiter führen die Gruppe streng hierarchisch.
Ehemalige berichten, dass der Gehorsam nicht nur in Bezug auf Glaubensfragen, sondern auch in Bezug auf das Privatleben gefordert wird. Es werden beispielsweise Richtlinien für die Kindererziehung aufgestellt, Kranken nachdrücklich von medizinischer Behandlung abgeraten oder eine Ehefrau dazu aufgefordert, ihren Ehemann mehr zu unterstützen. (Siehe Interview, das infoSekta mit einem ehemaligen Mitglied geführt hat)

Welt- und Selbstverständnis der Gruppe

Die Gründungsmitglieder von M 28 sehen sich als «Auserwählte». Schliesslich haben sie von Gott den Auftrag erhalten, von der Zentralschweiz aus die ganze Welt zu bekehren. Der Ausschliesslichkeit den richtigen Glauben zu besitzen, widerspricht Bärtsch in seiner Stellungsnahme zum Bericht der Sektenberatungsstelle Luzern (siehe Bärtschs Stellungsnahme unter der Website www.sektenberatung.ch). Ehemalige berichten hingegen, dass andere Christen einfach nicht Ernst genommen werden, dass Kontakte zu «Nichtbekehrten» unterbunden werden, dass M 28 sich als einzig wahre Gemeinde versteht und sich besser als andere Kirchen einstuft.
Die Gemeinde teilt die Welt in Gläubige und Nichtgläubige oder sogar vom Teufel Besessene und Nichtbesessene ein. Die Bekehrung zu Jesus wird als Wiedergeburt gesehen, wobei die eigene Biographie in «vorher» und «nachher» geteilt wird. Zwar ist es Pflicht, den Kontakt zu Nichtbekehrten bzw. zum sozialen Umfeld aus der Zeit vor der Wiedergeburt zu suchen, um diese zu missionieren, zeigt dies jedoch keine Wirkung, ist er sofort wieder abzubrechen. Ehemalige berichten, dass man als verloren gelte, wenn man aus M 28 austrete. Austreten ist auch sonst nicht einfach, da die Mitglieder einen Vertrag unterschreiben, welcher theoretisch nur mit gegenseitigem Einverständnis wieder aufgelöst werden kann. Faktisch ist es jedoch so, dass das Leitungsteam diese Verträge nur einseitig auflöst und Mitglieder ausschliesst.
Es bestehen klare Vorstellungen darüber, wer sich wie viel zu engagieren hat. Der erwartete Zeitaufwand umfasst je nachdem, ob jemand «einfaches» Mitglied, HauskirchenleiterIn oder im Leitungsteam ist, drei bis fünf Blöcke (1 Block = ein Halbtag oder Abend) pro Woche. Zudem ist regelmässiges Bibellesen und Beten absolute Pflicht. 

Gemeindezucht

Die Gemeindezucht wird Berichten ehemaliger Mitglieder zufolge als Druckmittel missbraucht. Durch die Konfrontation vor der ganzen Gemeinde wird die betroffene Person bloss gestellt und erniedrigt. Wer sich nicht konform verhält, nicht «richtig» glaubt, sich kritisch äussert oder nicht genügend Busse tut, dem droht der Ausschluss aus der Gemeinschaft. Bei einer Liste von 100 Sünden ist leicht nachzuvollziehen, dass es immer irgendwas geben kann, was man nicht richtig macht. 

Heilungsversprechen und Befreiungsdienste

Bärtsch erzählt im oben genannten Interview, dass er schon sehr viele Wunder erlebt habe. Aus dem Bereich der Heilung berichtet er beispielsweise, dass Menschen, die taub sind wieder hören konnten; Gelähmte wieder laufen konnten; dass Migräne oder Krebs verschwanden. Er könne Wunder bezeugen, versuche aber nie, sie zu beweisen. Ein Problem ist, dass besonders Kranke Heilungsgottesdienste in der Hoffnung auf Heilung besuchen. Es besteht dabei die Gefahr, dass sie nicht geheilt, sondern zusätzlich destabilisiert werden. Erfolge verbucht die Gruppe grundsätzlich für sich und die eigene Lehre (Heilungs-, Befreiungsdienst, Prophetie). Misserfolgen werden den Mitgliedern selbst angelastet mit der Begründung, dass sie gesündigt hätten oder besessen seien. Kritisch zu beurteilen ist weiter, dass Unglaube, fremde Glaubensformen aber auch Sprachlosigkeit oder physische Schmerzen als Symptome von Besessenheit interpretiert werden. Darin kommt wiederum der Anspruch zum Ausdruck, im Besitze des einzigen wahren Glaubens zu sein, und kritische Stimmen werden somit von vornherein abgeblockt. Bärtsch räumt im Interview zwar ein, dass die Ursache einiger «Symptome» auch eine psychische Erkrankung sein kann. 

Zusammenfassung problematischer Prozesse infoSekta

Zusammenfassend möchte infoSekta auf diese problematischen Prozesse hinweisen. Die Forderung nach absolutem Gehorsam in Bezug auf Glaubensfragen und auf die Gestaltung des Privatlebens widerspricht unseren modernen Vorstellungen von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung. infoSekta erachtet die Führungsstruktur, wie sie von den ehemaligen Mitgliedern hier geschildert wird, als sektenartiges Merkmal, da ein autoritärer Führungsstil und straffe Hierarchien, im Gegensatz zu Mitbestimmungsrechten und persönlicher Autonomie, vorherrschend sind.
Die Tatsache, dass sich eine Gruppe als einzige legitime Retterin in einer sonst verdorbenen Welt sieht, ist ein weiteres sektenhaftes Merkmal. Die Welt zu missionieren und von dem Bösen zu erretten, zeugt von einem Elitedenken und dem Verständnis im Besitze der «einzigen Wahrheit» zu sein. Die deutliche Abgrenzung von dem «wir und den anderen» verstärkt die Bindung der einzelnen Mitglieder an die Gruppe und führt zum Abbruch des Kontaktes zu den Angehörigen und Freunden, welche nicht bei M 28 sind. Dieser erzwungene Kontaktabbruch und der drohenden Mahnung, ohne M 28 verloren zu sein, macht einen Austritt aus der Gruppe sehr schwierig. Dazu kommt, dass das Leitungsteam den gemeinsamen Vertag nur einseitig auflöst, was zu einem ungleichen Machtverhältnis führt.
Psychologisch gesehen sind Heilungsversprechen und Befreiungsdienste problematisch. Vor allem dann, wenn fehlgeschlagene Heilung als Versagen oder sogar Besessenheit des Einzelnen gesehen wird. Die Gefahr dabei ist, dass menschliche Probleme als Besessenheit interpretiert werden. Dabei werden angemessene Behandlungen abgelehnt und stattdessen mit Sanktionen auf diese Probleme reagiert. Die häufig praktizierte Gemeindezucht muss von einem psychologischen Standpunkt her gesehen ebenfalls kritisiert werden. Die Gemeindezucht bedeutet ein unzulässiges Eindringen in die Privatsphäre der Gruppenmitglieder und kann leicht zu willkürlichen Strafaktionen führen.

Glossar: Befreiungsdienst

Der charismatischen Auffassung zufolge können sowohl NichtchristInnen als auch ChristInnen von Dämonen umgeben bzw, besessen sein. Die Dämonen werden im Befreiungsdienst ausgetrieben. Ob jemand besessen ist oder nicht, wird u. a. anhand folgender «Symptome» festgestellt: Abhängigkeit, zwanghaftes sexuelles Fehlverhalten, negative Gefühle, okkulte Betätigung, organische Krankheiten (die im Heilungsdienst nicht geheilt werden konnten), fremde Glaubensformen, ablehnende/kritische Haltung gegenüber dem charismatischen Glauben, d.h. Zweifel, Unglaube und Kritik. Als Ursachen von Besessenheit werden u.a. gesehen: Okkulte und esoterische Betätigung, Drogenkonsum, sexuelles Fehlverhalten und Vererbung. ChristInnen können zudem auch mit einem Fluch belegt und dadurch von einem Dämon besessen sein. Wie aus diesen Aufzählungen ersichtlich ist, werden manche Punkte sowohl als Ursache als auch als Symptom gesehen.

Glossar: Charismatische Erneuerungsbewegung

Die Wurzeln der charismatischen Erneuerungsbewegung finden sich in der Pfingstbewegung des beginnenden 19. Jahrhunderts. Zentrale Merkmale sind die Erfahrung des Heiligen Geistes, das vom Geist Erfülltsein und die Beziehung zu Jesus. «Gott schenke durch ihn [den Heiligen Geist] neues Leben, heile von körperlichen und seelischen Krankheiten und verteile hierarchische und charismatische Gaben» (Schmid / Schmid, S. 47). Die charismatische Erneuerungsbewegung sieht sich im Kampf «gegen die Mächte und Gewalten der Finsternis mit den Waffen des Gebets, der Sakramente, der Segnungen der Kirche und dem Leben aus dem Glauben» (Schmid / Schmid, S. 47). Die Mitglieder sind dazu verpflichtet, zur Ausbreitung des Evangeliums beizutragen.
Ehemalige Mitglieder werfen einzelnen Gemeinschaften der Charismatischen Erneuerungsbewegung einen autoritären Führungsstil, massive Einschränkung des Privatlebens und die Zementierung der traditionellen Geschlechterrollen vor. Weiter wird kritisiert, der Kontakt zur Aussenwelt müsse abgebrochen werden und Beziehungen zur Familie und zu Freunden werde bewusst unterbunden.

Glossar: Evangelikalismus

Ein zentraler Punkt beim Evangelikalismus ist die Bibeltreue, d.h. der Bibel kommt uneingeschränkte Autorität in allen Glaubens-, aber auch Lebensfragen zu. Das Lesen in der Bibel und das Gebet sind von höchster Bedeutung für die Beziehung zu Gott, denn «durch Gebet spricht der Evangelikale mit Gott, in der Bibellese erhält er Antwort» (www.relinfo.ch). Ziel für jedes Mitglied einer evangelikalen Gemeinde ist, nach Gottes Willen zu leben und Verhaltensweisen zu vermeiden, «die in der Bibel negativ bewertet werden» (www.relinfo.ch). Um dies zu gewährleisten wird das Mittel der Gemeindezucht eingesetzt. Wer sündigt, wird von der Gemeinde ermahnt und zur Busse aufgefordert. Verliert jedoch jemand die persönliche Beziehung zu Gott / Jesus und / oder bemüht er sich nicht (angemessen) um die Heiligung, d.h. tut er nur ungenügend Busse, wird er aus der Gemeinde ausgeschlossen.
Mitglied einer evangelikalen Gemeinde können nur Menschen sein, die bekehrt und wiedergeboren sind und sich um Heiligung bemühen. Weiter sind Evangelisation und Mission für den Evangelikalismus von grosser Bedeutung, wobei sich die Evangelisation an nichtevangelikale ChristInnen, Anders- und Nichtgläubige richtet. Mittlerweilen ist der Erfolg dieser Bemühungen weitgehend «zum Kriterium der Gottgefälligkeit der jeweiligen Gemeinde geworden» (www.relinfo.ch).

Glossar: Fundamentalismus im Christentum

Einen Aspekt des Fundamentalismus im Christentum ist der Glaube an die Irrtumslosigkeit der Bibel, der 1978 in der «Chicago-Erklärung» festgehalten wurde. Die fundamentalen Christen bestehen auf einer göttlichen Urschrift und wenden sich gegen eine historisch kritische Erforschung der Bibel. Diese Überzeugung der Irrtumslosigkeit der Bibel zeigt sich in der Diskussion um die Entstehung der Erde. Dabei wird die biblische Schöpfungsgeschichte im wortwörtlichen Sinne verstanden und die darwinistische Evolution abgelehnt (Kreationismus). Einfacher gesagt: es wird davon ausgegangen, dass der Mensch von Adam und Eva abstammt und nicht vom Affen. (Der religiöse Fundamentalismus: Christentum, Judentum, Islam. Klaus Kienzler, Verlag C.H. Beck, 1996.)

Glossar: Heilungsdienst

Ebenfalls aus der Pfingstbewegung geht die Bewegung der Heilungsevangelisten hervor. An Grossveranstaltungen wird um die Heilung körperlicher Leiden gebetet. Mit der sog. Dritten Welle, auch Neocharismatischen Bewegung genannt, seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts bildete sich auch eine nichtinstitutionelle Form des Heilungsdienstes heraus, d.h. Gemeindemitglieder mit der Gabe zur Heilung stehen den erkrankten Gemeindemitgliedern zur Verfügung. Es wird allerdings nicht nur um die Heilung der jeweiligen Krankheit gebetet, sondern auch eine Diagnose gestellt, da die «Krankheiten im Zusammenhang mit allenfalls unbewussten Sünden» (www.relinfo.ch Stichwort Dritte Welle) gesehen werden, «die zuerst bearbeitet werden müssen» (www.relinfo.ch Stichwort Dritte Welle).

Fussnoten

(1) Seit ca. Mai 2005 ist die Seite www.m-28.ch nicht mehr abrufbar. Ebenfalls im Mai war die Seite www.gg-live.ch eine Weile nicht mehr abrufbar, wurde dann aber überarbeitet wieder ins Internet gestellt.
(2) Der Toronto Segen fand seinen Ursprung in der Airport Vineyard Gemeinde in Toronto, Kanada. Herausstehende Merkmale des Toronto-Segens sind die sogenannten «Manifestationen des Heiligen Geistes», wie z. B. stundenlanges Lachen, Zittern und Schütteln des Körpers, diverse Zuckungen, Umfallen und anschliessendes stundenlanges Liegenbleiben. (Informationsblatt Nr.2 Juni 1995, Herausgegeben von der Evangelischen Orientierungsstelle: Kirche, Sondergruppen, religiöse Bewegungen).
(3) «Darum gehet hin und machet alle Völker zu Jüngern und taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes; und lehret sie alles halten, was ich euch befohlen habe; und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt.» (Matthäus-Evangelium Kapitel 28, Vers 16 – 20)
(4) Dieser Text war auf der Homepage www.m-28.ch zu lesen. Dem «Beobachter» gegenüber distanziert sich Bärtsch allerdings von dieser Aussage mit der Erklärung, diesen (unreifen) Text habe sein 15jähriger Sohn nur ins Internet gestellt, um die Seite zu installieren.

Quellenverzeichnisse

Fachbücher

Der religiöse Fundamentalismus: Christentum, Judentum, Islam. Klaus Kienzler, Verlag C.H. Beck, 1996

Informationsblatt Nr. 2 Juni 1995, Herausgegeben von der Evangelischen Orientierungsstelle: Kirche, Sondergruppen, religiöse Bewegungen

Materialdienst der EZW 1/1998

Schmid Georg und Georg Otto Schmid (Hrsg.): Kirchen Sekten Religionen. Religiöse Gemeinschaften, weltanschauliche Gruppierungen und Psycho-Organisationen im deutschen Sprachraum. Ein Handbuch. Begründet von Oswald Eggenberger, Zürich 2003

Internet

www.alphalive.ch
www.betanien.de
www.bibelkreis.ch
www.dneurope.org
www.gg-live.ch
www.igw.edu
www.impact-Luzern.ch
www.jesus.ch
www.kingdomimpact.org
www.kingdomministries.ch
www.lazarus.ch
www.m-28.ch
www.relinfo.ch
www.sgl-international.ch
www.schleife.ch

Presse

«Beobachter» Nr. 14 vom 8. Juli 2005
«Die Region» vom 1. Juni2005
«idea Schweiz » Nr. 20/2005
«Neue Luzerner Zeitung» vom  6. Mai 2005 und vom  28. Mai 2005
«20minuten» vom 27. Mai 2005      
Kirchenbote 13/2005 

Appendix

infoSekta, 19.4.2007.

 

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