Lighthouse Chapel International LCI (Schmid, 2004)

Beispiel einer so genannten ethnischen Freikirche

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von Georg Otto Schmid


Einleitung

Neben der Event-orientierten Grossgemeinde und  der familiären Kleinkirche ist es die ethnische Gemeinschaft, die das dritte Erfolgsmodell im Bereich evangelikal-charismatischen Christentums in Europa darstellt. Als Organisation, die vor allem aus Angehörigen derselben Nationalität und/oder Sprache besteht, scheint die ethnische Gemeinschaft auf den ersten Blick die Anforderungen an eine schichtspezifische Gemeindebildung zu erfüllen, wie sie von charismatischen Gemeindewachstums-Theoretikern gefordert wird. Ein stärker einigendes Band als die gleiche Herkunft von Immigranten ist kaum denkbar, kulturelle Einheitlichkeit ist nirgendwo leichter zu verwirklichen. Ebenso ist eine Ähnlichkeit der biographischen Erfahrungen garantiert. Auf den zweiten Blick erweist sich die ethnische Gemeinde aber als eine Übersteigerung der schichtspezifischen Gemeindebildung. Eine volksbezogene Gemeinde widerspricht dem Universalismus des Neuen Testaments, das nicht mehr Juden und Griechen kennt, sondern vielmehr eine Gemeinde für alle Menschen fordert. So wird gerade für evangelikal-charismatisches Denken, welches ja in besonderer Weise dem Neuen Testament verpflichtet sein will, die ethnische Gemeinde zum erfolgreichen theologischen Unding, welches an seiner Intention vorbei praktiziert oder an seiner Praxis vorbei intendieren muss: Die ethnische Gemeinde findet Anhängerinnen und Anhänger in der eigenen Ethnie, muss aber missionarisch stets auch auf alle anderen Menschen ausgerichtet bleiben - auch wenn de facto jede Möglichkeit zur erfolgreichen Integration einer grösseren Anzahl von Menschen anderer Sprache und/oder kultureller Prägung fehlt. Die theologische Undenkbarkeit einer ethnischen Gemeinde bedingt natürlich auch, dass niemand eine solche Gemeinschaft begründet. Sie entsteht vielmehr aus einer in ihrem Herkunftsland "normalen" Gemeinde, die dort meist diverse Schichten anspricht. Die Ableger im Ausland vermögen hingegen nicht, die Gesamtheit der Bevölkerung zu erreichen, sondern sprechen nur die Emigranten aus dem Herkunftsland der Gemeinde an. Eine ethnische Gemeinde ist entstanden, obwohl die ursprüngliche Absicht eine ganz andere war, nämlich die Missionierung der gesamten Bevölkerung des Gastlandes.

 

Wiedermissionierung Europas

Handelt es sich beim Herkunftsland der ethnischen Gruppe um eines, welches in vergangenen Jahrhunderten vom Gastland her missioniert wurde, kann sich heute das Bild einer Art Rück- oder Wiedermissionierung ergeben. Dies gilt für die Lighthouse Chapel International aus Accra in Ghana in besonderer Weise, weil die verschiedenen Missionsrichtungen in der Familiengeschichte des Gründers Dag Heward-Mills exemplarisch repräsentiert werden. Dag Heward-Mills ist der Sohn eines ghanaischen Anwaltes und einer Schweizerin, deren Eltern für die Basler Mission in Ghana tätig waren. Deren Enkel gründete nun die erste Aussenstation seiner bereits Mitte der 80er-Jahre entstandenen Gemeinde im Jahr 1992 in der Schweiz. Die erklärte Absicht war, das entchristlichte Europa wieder zu missionieren. In seiner bewusst plakativen Sprache stellt Dag Heward-Mills fest, dass sich das Bild des Missionars gewandelt habe:

"Whenever we think of missionaries we think of White people coming to save the unreached and uncivilised Black races. We imagine pious White missionaries going through the sweltering tropical jungles to reach savages in remote villages. However, all this has changed! There are not as many savages in remote villages as there were four hundred years ago. Today, it is the White people who need to be reached. It is the White people living in rich and affluent cities who have no knowledge of God ... The cloud of ignorance and spiritual backwardness has shifted to the western nations of the world" (Heward-Mills, 2001, S. 52).

Oder noch etwas drastischer:

"The spiritually alive sections of the world have shifted from Europe to the poorer and more deprived parts of the world. Today, Europe is the seat of Satan, with most people on that continent being atheists or non-believers. There is now a great need for us to reach out to such parts of the world. ... It looks as though the responsibility of spreading the Gospel has shifted from Whites to men of colour" (ebd).

Von den Kirchen in Europa und insbesondere von denjenigen in der Schweiz erwartet Dag Heward-Mills hingegen nicht mehr viel:

"Spiritual death has placed its icy hands on the churches of Europe. Church buildings that seated hundreds of ardent worshippers every Sunday, today receive less than fifteen old men and women.... Many churches meet every two weeks instead of every week. On Sunday mornings, the young people are recovering from hangovers and the debauchery of the night before. They have no time or knowledge of God.

In Switzerland for instance, many of the pastors do not believe in God. They are often state employees who have a job to do" (a.a.O., S. 52f).

Nach Ansicht von Dag Heward-Mills ist das Modell Landeskirche gescheitert, wobei das Modell von ihm offensichtlich nicht ganz richtig verstanden wurde - die Präsenz anderer Freikirchen in der Schweiz scheint Heward-Mills keine Erwähnung wert. Nun soll das Rezept zur Wiederverchristlichung der Gesellschaft helfen, welches bereits in Ghana zum Erfolg führte: Das Mega-Church-Konzept der Lighthouse Chapel International.

 

Die familiäre Mega-Church

Während die Lighthouse Chapel International, abgekürzt LCI, in der Schweiz bisher eine ethnische Gemeinschaft geblieben ist, repräsentiert sie in ihrem Mutterland die beiden anderen erfolgreichen Modelle evangelikal-charismatischen Gemeindebaus: die Event-orientierte Grossgemeinde und die familiäre Kleingruppe. "Large enough to include you, and small enough to know you" (The Mega Church, S. 175), lautet das Motto Dag Heward-Mills' bezüglich der Gemeindegrösse. Möglichst gross soll die einzelne Gemeinde sein und Grossveranstaltungen ermöglichen, aber zusätzlich aus Kleingruppen bestehen, welche dem Mitglied familiären Halt geben: "Smaller sub-divisions within the church allow for better pastoral care, which eventually leads to church growth. Questions that cannot be asked in a large Sunday service can be addressed in the small groups. The small groups become the family units to which church members belong" (ebd.). Dass familiäre, freundschaftliche Einbindung in eine Gemeinde unerlässlich ist, erkennt Heward-Mills wie jeder zeitgenössische Gemeindewachstums-Theoretiker: "People stay in a church because of relationships they have in the church. It is the duty of the pastor to create interaction between members of the church" (a.a.O. S. 131). Aus diesem Grund ist es für Gemeindeleiter wünschbar, dass Mitglieder ihren Freundeskreis und auch ihren Partner aus der eigenen Gemeinde rekrutieren, obwohl aus evangelikal-charismatischer Sicht einer Ehe mit einem Mitglied einer anderer Gemeinde grundsätzlich nichts im Wege steht. Hier spricht Dag Heward-Mills einen Gedanken deutlich aus, den manch anderer freikirchlicher Pastor sich bloss denken mag, viele Freikirchen ihn aber als unangebracht zurückweisen würden: "I repeatedly tell my church members that the person they want to marry can be found within our congregation. ... Of course, it is not a sin to marry from outside your own church. Many people in my church do that! All I am saying is that I encourage my church members to intermarry. Anytime one of our 'daughters', in whom we have invested, is married and taken to another church, we lose a church member" (a.a.O., S. 133). Ebenso sind Freundschaften innerhalb der Gemeinde zu pflegen. Kontakt zu Aussenstehenden schränkt Heward-Mills aufs Notwendige ein. Notwendig sind die missionarischen Bemühungen: "Sometimes people will accuse us of sticking to ourselves and not interacting with outsiders. However, that is not our intention at all! Our intention is also to interact with outsiders in order to win souls. But make sure you encourage your church members to have their friends from within the church. If your church members friends are within the church, they will have two reasons for coming to church. Firstly, they will come for spiritual nourishment. Secondly, they will come to meet with their friends. You can easily lose members whose friends are mainly people outside the church" (a.a.O., S. 134).

Diese Umsicht bezüglich der Sozialkontakte der Mitglieder reicht aber zur Errichtung einer Mega Church nicht aus. Entscheidend sind für Dag Heward-Mills die Bezugspunkte 'Evangelisation' und 'Mission'. "The vision of Lighthouse Chapel International is one of soul winning and church planting" (a.a.O., S. 97), hält er programmatisch fest und: "Soul winning is the main task of Lighthouse Chapel International" (a.a.O., S. 24). Dass der LCI hier eine entscheidende Rolle zukommen kann, steht für Heward-Mills ausser Frage: "We must have the attitude that the salvation of the whole world depends on us" (a.a.O., S. 31). Umgesetzt wird diese Betonung der Evangelisation z.B. dadurch, dass Heward-Mills in jedem Gottesdienst, egal welchem Zweck er dient, zur Bekehrung aufruft: "Salvation altar calls are compulsory in every service we have. I make altar calls at all weddings and funerals " (The Mega Church, S. 161).

Für das Wachstum der Gemeinde ist aber auch die richtige Einstellung entscheidend: "If you want your church to grow, tell the members that they are part of a good church. Speak positively about the other pastors in the church. Do not criticize the pastors of the church. That is why we call the Lighthouse Chapel International The Mega Church. I am aware that this worries some people. It is just our faith confession! We know we have a long way to go. We know that we are still learning. But we believe that we have a Mega ministry with a Mega impact in a lost and dying world " (a.a.O., S. 127f). Das Stichwort der "faith confession" weist darauf hin, dass hier die Grenze zur so genannten Wort-des-Glaubens-Lehre überschritten ist.

 

Die Wort-des-Glaubens-Lehre

Die Wort-des-Glaubens-Lehre, entstanden in den 60er-Jahren in den USA, geht davon aus, dass einem in Glauben gesprochenen Wort Schöpferkraft zukommt, so dass ein gläubiger Mensch dadurch im Grunde erreichen kann, was er will. Hintergrund ist die Weltanschauung des so genannten Neugeist, welcher von der Herrschaft des Geistes über die Materie ausgeht. Bekannte Vertreterin hierfür ist beispielsweise die Christian Science. In abgeschwächter Form tritt die Idee in Gestalt der Lehre vom positiven Bekenntnis auf. Als gewissermassen charismatische Variante des Positiven Denkens geht sie davon aus, dass bekenntnishafte Sätze durch Wiederholung irgendwann zu Realität werden können. Dag Heward-Mills ist beidem gegenüber aufgeschlossen. Dass der Wort-des-Glaubens-Vordenker Kenneth Hagin für ihn wichtig wurde, räumt Heward-Mills öfter ein, meist indem er betont, wie stark er durch das Anhören von Hagins Kassetten geprägt worden sei. Positives Bekenntnis übt Heward-Mills oft, z.B. führt er das Wachstum seiner Kirche u.a. auch auf positives Bekennen zurück: "I recall walking up and down the streets adjacent to the canteen we had rented for our church services. I spoke to the street and said 'Be filled with cars.' I spoke to the empty benches and said 'Be filled with members'. Today there are countless numbers of cars and members in our church" (a.a.O. S. 17). Konsequenterweise kann Heward-Mills dieses Vorgehen und das damit verbundene erhöhte Selbstvertrauen auch anderen Pastoren empfehlen:

"You are no ordinary person! You are a champion! You are a true champion! You can win! God is strengthening your right hand to conquer the enemy! Do not be afraid from today, the devil is the one who is frightened! Rise up and speak over the church you are pastoring! Speak to the empty chairs and tell them to be filled! You are anointed! You are full and not empty" (Heward-Mills, 1999a, S. 56). All dies Bekennen macht aber - hier unterscheidet sich Heward-Mills von den schrillen Gestalten der Wort-des-Glaubens-Lehre - die irdischen Methoden zur Erreichung des Ziels nicht unnötig. Vielmehr soll alles zusammen wirken: "Command your intelligence to respond to your confessions! Command your decisions to line up to the positive claims you are making! You can win! You are indeed a successful person" (a.a.O., S. 56). Dies gilt z.B. bei Bekenntnissen zu Wohlstand: "If you make a claim to prosperity, you must courageously go to work. You must work very hard (a.a.O., S. 62)". Ähnliches sagt der ausgebildete Arzt Dag Heward-Mills zu Bekenntnissen betreffend Heilung: "If you need to take medicine in order to stay alive, then take it. But keep confessing the Word" (a.a.O., S. 61) - dies im scharfen Gegensatz zu radikalen Wort-des-Glaubens-Lehrern, welche die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe als ein mangelndes Vertrauen auf Gott deutet. Auch lehnt Dag Heward-Mills die Vorstellung ab, dass das Wort des Gläubigen aus dessen eigener Autorität heraus wirkt. Es sei immer Gott, welcher auf ein Bekenntnis antworte und dieses realisiere - oder eben nicht realisiere. So findet Heward-Mills auch eine Erklärung auf die Frage, weshalb bestimmte Bekenntnisse schlicht nie funktionieren: "God will not back foolish and childish claims. Your earthly father would take no notice of you if you claimed certain unrealistic and impractical things. If you spend time confessing foolish imaginations, even the devil will take no notice of you! You are NOT the Queen of England so there is no use for you to spend time confessing that!" (a.a.O., S. 56)

Demgegenüber scheint positives Bekennen für Dag Heward-Mills eher eine Frage der Einstellung zu sein. Durch Bekennen wird eine der Lebenssituation gegenüber förderliche innere Haltung eingeübt z.B. bei den Bekenntnissen, die Dag Heward-Mills unzufriedenen verheirateten Paaren vorschlägt:

"- Marriage is not a curse to me, it's a blessing to me!

- Being married is a good thing!

- I enjoy being married!

- I am happily married!

...

- My wife is a true help to my life!

- My husband is dedicated to me. He has no time or eyes for other women. I am a princess and a queen to my husband. My husband does whatever I want him to do because he loves me... " ( a.a.O., S. 72).

Auch folgendes Bekenntnis funktioniert wohl eher dank einer veränderten Sichtweise als aufgrund des übernatürlichen Service': "Declare over your old car: you are new and a blessing to me" (a.a.O., S. 56).

 

"This is Europe, you can't do that here!"

In der Schweiz war der Lighthouse Chapel in den letzten zwölf Jahren seit Gründung der ersten Gemeinde durch Dag Heward-Mills einiger Erfolg beschieden. Die Zürcher Gemeinde, die sich in einem Industriebau an der Birgistrasse 7 in Wallisellen trifft, führt sonntags jeweils zwei Gottesdienste durch, die von insgesamt rund 400 Personen besucht werden. Lokale Gruppen existieren in den Städten Baden, Basel, Bern, Biel, Genf, Lausanne, Luzern, Neuchâtel, Olten, St. Gallen und Winterthur. Das Publikum besteht fast ausschliesslich aus Personen, die aus Westafrika immigriert sind, hauptsächlich aus englisch-sprachig geprägten Ländern. Schweizerinnen und Schweizer finden fast ausschliesslich über ihre Rolle als Lebenspartner von Menschen aus Afrika zur LCI. Offensichtlich ist die kulturelle Schranke für die LCI schwer zu überschreiten. Deutlich wird diese Barriere etwa im autoritätsbetonten Denken der LCI: "A church needs a strong leader to move it forward. Democracy and numerous committees are not helpful when you need strong leadership" (Heward-Mills, 1999b, S. 16) oder in der Notwendigkeit, gegen den Glauben an Zauberei vorzugehen: "Every spell, enchantment or bewitchment that has been conjured against me and my marriage will not succeed!" (Heward-Mills, 1999a, S. 76). "There is no charm from my hometown that can affect me. Every spell and enchantment against me emanating from my village is overruled!" (a.a.O., S. 107). "My home is a no-fly zone for witches and wizards" (a.a.O., S. 164). Anschaulich wird hier, wie der promovierte Arzt Dag Heward-Mills gegen Aberglauben vorgeht. Auch in der Gemeinde in Wallisellen ist das Bemühen spürbar, westlichen Standards zu entsprechen, etwa wenn der Prediger der männlichen Zuhörerschaft zuruft "You can't beat your wife here, this is Europe, you can't do that here." So löblich das Engagement ist, seine Notwendigkeit zeigt, wie fern eine Inkulturation der LCI in der Schweiz noch ist.

 

Literatur/ Quellen

Dag Heward-Mills. 1999a. Name it! Claim it! Take it!!!, Dag's Tapes & Publications

ders 1999b. Solomonic Success, Dag's Tapes & Publications

ders. 2001. Win the Lost at any cost, Parchment House

ders. ohne Jahresangabe. The Mega Church, The Anointing and the Strategies

Website der LCI: http://www.lighthousechapel.org

Website von Dag Heward-Mills: http://www.daghewardmills.org

Besuch bei der LCI Zürich an der Birgistrasse 7, Wallisellen, am 30. Mai 2004

 

Appendix

Erschienen in:

Susanne Schaaf, Mathias Mettner (Hrsg.): Religion zwischen Sinnsuche, Erlebnismarkt und Fundamentalismus. Zu Risiken und Nebenwirkungen von ICF und anderen christlichen Trendgemeinschaften. Schriftenreihe infoSekta Zürich, Fachstelle für Sektenfragen, 2004. 

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